Es erscheint dem VDGH, aber auch anderen Beteiligten im Gesundheitswesen, nicht ausreichend klar, ob und inwieweit die zentralen Elemente dieser Gesetzgebung die beschriebenen Ziele realisieren können. Dies liegt auch darin begründet, dass die Ausgestaltung der zentralen Elemente (Einführung einer Vorhaltevergütung und Absenkung bestehender DRG-Fallpauschalen, Bestimmung von Leistungsgruppen, Festlegung von Mindestvorhaltungen/Qualitätskriterien, Weiterentwicklung des Strukturfonds zu einem Transformationsfonds) gemäß dem Entwurf des KHVVG noch nicht in dem Gesetz selbst erfolgt, sondern dem Regelungsbereich künftiger Rechtsverordnungen zugeordnet wird. Eine der Gesetzgebung vorgeschaltete Auswirkungsanalyse könnte zumindest größeren Risiken, die in einer Zielverfehlung oder unerwünschten Nebenwirkungen liegen, vor ihrem Eintritt entgegentreten. Unbeschadet dessen wird die im Entwurf vorgesehene Evaluation (§ 426 SGB V) vor dem Hintergrund der Tragweite des Gesetzgebungsvorhabens vom VDGH als richtig und notwendig erachtet.
Die seit Jahrzehnten bestehenden Unzulänglichkeiten der Investitionsfinanzierung der Länder bleiben ursächlich bestehen, auch wenn die negativen Folgen für die Krankenhäuser mit dem KHVVG abgemildert werden sollen. Die Erhaltung und Weiterentwicklung insbesondere der baulichen und technisch-apparativen Ausstattung der deutschen Krankenhäuser bleibt deshalb auch in den kommenden Jahren eine enorme Herausforderung. An die Länder wird appelliert, sich ihrer finanziellen Verantwortung für eine bedarfsgerechte stationäre Medizin, die medizinisch-technisch auf dem Stand der Dinge ist und offen für Innovationen bleibt, nicht zu entziehen.
Gesundheitsversorgung
Im Referentenentwurf heißt es: „Um insbesondere auch in struktur- und bevölkerungsschwachen Regionen weiterhin eine qualitätsgesicherte medizinische Grundversorgung aufrecht erhalten zu können, wird der Ausbau der sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung vorangetrieben. Die Länder erhalten gesetzlich die Möglichkeit, sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen zu bestimmen, deren Leistungsspektrum neben stationären auch erweiterte ambulante sowie medizinisch-pflegerische Leistungen umfasst.“
Aus Sicht des VDGH ist es hier relevant, die Einrichtungen der sektorenübergreifenden Versorgung dazu zu befähigen, bedarfsgerechte, qualitätsgesicherte und innovative Leistungen der In-vitro-Diagnostik weiterhin zu erbringen. In der vertragsärztlichen Versorgung und vor allem mit Hinblick auf die Umsetzung der Laborreform des EBM zum 1. Januar 2025 (Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 709. Sitzung) ist dies nach Auffassung des VDGH nicht mehr ausreichend gewährleistet. Besonders innovative Diagnostik oder schnelle patientennahe Diagnostik mittels Point-of-Care-Testung (POCT) werden durch Einschränkungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab gehemmt.
In der Vereinbarung über den Leistungskatalog gemäß § 115f Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V in Verbindung mit § 115f Absatz 2 Satz 2 SGB V (Hybrid-DRG-Vereinbarung) vom 27.03.2024 werden Sach- und Laborkosten gesondert betrachtet und die sektorspezifischen Sach- und Laborkosten unter Verwendung des Ambulantisierungsgrades gewichtet zusammengeführt. Innovationsfördernde Anreize sollten wie im bisherigen stationären System erhalten bleiben, um den stetig voranschreitenden medizinisch-technischen Fortschritt abzubilden und den Patientinnen und Patienten eine optimale und vor allem flächendeckende Versorgung zu ermöglichen. Insbesondere ist sicherzustellen, dass innovative Diagnostik schnell in die vertragsärztliche Versorgung übernommen werden kann. Die Anforderungen bzw. Kriterien an Wirtschaftlichkeit und medizinische Notwendigkeit bei der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sollten standardisiert und transparenter werden. Die Möglichkeit der Nutzung von Gesundheitsdaten sollte zur Beschleunigung der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beispielsweise durch Vorerprobungsphasen genutzt werden.
§ 135e SGB V: Mindestanforderungen an die Qualität der Krankenhausbehandlung, Verordnungsermächtigung
Für die zukünftige Einteilung von Leistungen der Krankenhausbehandlung in Leistungsgruppen sollen bundeseinheitliche Qualitätskriterien, die Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität beinhalten, gelten. Ein diagnostisches Labor wird keine eigene Leistungsgruppe darstellen, sondern für einige Leistungsgruppen als „Sachliche Ausstattung“ aufgeführt. Die festzulegenden Qualitätskriterien sollen für die Leistungsgruppen (LG) 3 „Infektiologie“, 16 „Spezielle Kinder und Jugendchirurgie“, 27 „Spezielle Traumatologie“, 47 „Spezielle Kinder- und Jugendmedizin“ und 65 „Notfallmedizin“ in der Anlage 2 zu § 135e SGB V festgelegt werden.
Die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Leistungen der Laboratoriumsmedizin und benachbarter Fachgebiete ist essenziell für die Entscheidungsfindung und den Behandlungserfolg. Ca. 70 Prozent aller klinischen Diagnosen basieren auf labordiagnostischen Untersuchungen. Daher ist für die Erhöhung der Qualität der Gesundheitsversorgung im stationären Bereich sicherzustellen, dass Labordiagnostik adäquat als Minderanforderung der entsprechenden Leistungsgruppen definiert und in der stationären Versorgung finanziert wird.
Während für die LG Infektiologie gewisse Mindestanforderungen für die sachliche und personelle Ausstattung hinsichtlich des Labors und der Mikrobiologie aufgeführt sind, fehlen diese weitgehend oder gänzlich für die anderen Leistungsgruppen. Es sind Ergänzungen im Rahmen dieser Gesetzgebung erforderlich. Insbesondere ist für die LG 65 (Notfallmedizin) als Strukturanforderung die Vorhaltung eines Notfalllabors 24/7 bzw. einer angemessenen Ausstattung zur Durchführung einer Point-of-Care-Diagnostik zu erwähnen. Die alleinige Nennung „Blutgasanalyse“ ist unzureichend. Zum Ausschluss/Bestätigung von Verdachtsdiagnosen z.B. für Hypoglykämie, Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, akutes Nierenversagen, Sepsis sind weitere Laboratoriumsuntersuchungen sowie die Vorhaltung entsprechender Tests und Geräte erforderlich. Gleiches gilt für die Testung auf respiratorische Erreger.
Die Festlegung der Mindestvorhaltungen/Qualitätskriterien für die jeweiligen Leistungsgruppen nach § 135e SGB V soll nach einer Übergangsphase vom Bundesministerium für Gesundheit in Form einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erfolgen. Hierzu soll das BMG einen Ausschuss einrichten, der Empfehlungen zu den Inhalten der Rechtsverordnung beschließt. Vorschläge der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) sind einzuholen. Aus Sicht des VDGH besteht angesichts der vorgesehenen Zusammensetzung des Ausschusses eine besondere Notwendigkeit, die Belange der Laboratoriumsmedizin und benachbarter Fachgebiete angemessen zu berücksichtigen. Denn diese Fachgebiete sind zwar vergleichsweise klein, weisen aber wichtige Schnittstellen zu nahezu allen anderen medizinischen Gebieten (bzw. Leistungsgruppen im Sinne des KHVVG) auf. Vorgeschlagen wird, dass die hier einschlägigen med.-wiss. Fachgesellschaften aktiv in den Prozess der inhaltlichen Ausgestaltung der Mindestvorhaltungen/Qualitätskriterien einzubeziehen ist.
Der Zeitrahmen für den Erlass der Rechtsverordnung (bis zum 31. März 2025) erscheint ehrgeizig. Aus Sicht des VDGH sollten Gründlichkeit und Zweckmäßigkeit der inhaltlichen Festlegungen prioritär sein.
Berlin, 29.04.2024
VDGH – Verband der Diagnostica-Industrie e.V.
Neustädtische Kirchstraße 8
10117 Berlin
Der VDGH ist unter der Registernummer R001035 im Lobbyregister für die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung eingetragen.