Wesentliches Qualitätsmerkmal entwickelter Gesundheitssysteme ist, dass der Patient schnellen Zugang zu medizinischen Innovationen erhält. Trotz vielfältiger gesetzlicher Vorgaben, die auf dieses Ziel abstellen, bleibt die Situation für den Bereich der Labordiagnostik defizitär. Während im Arzneimittelbereich Innovationen nach erfolgter Zulassung unmittelbar zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erstattungsfähig sind, ist die Situation für IVD komplexer und retardierender. Sicherheit, Qualität und Leistungsfähigkeit eines IVD werden durch ein aufwändiges Konformitätsbewertungsverfahren nachgewiesen. Nach erfolgreicher CE-Kennzeichnung ist das Produkt dann europaweit verkehrsfähig. Für die Abrechnungsfähigkeit neuer Laborleistungen zu Lasten der GKV ist in Deutschland zusätzlich eine Nutzenbewertung erforderlich.
Für die Aufnahme neuer Laborleistungen in den EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) ist der Bewertungsausschuss von KBV und GKV-Spitzenverband zuständig. Die Beratungen dort stellen sich – trotz einiger Verbesserungen – weiterhin als „Black Box“ dar. Transparenz über die Entscheidungsabläufe und handelnden Personen sind wünschenswert, nicht nur für die Industrie, sondern auch für Patienten und Versicherte. In der Vergangenheit betrugen die Bera-tungszeiten nicht selten mehrere Jahre. Der Gesetzgeber hatte dieses Problem erkannt und mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz von 2015 reagiert. Der Bewertungsausschuss wurde verpflichtet, in seiner Verfahrensordnung auch Fristen in Bezug auf die Beratungen und Beschlussfassung über die Aufnahme neuer Laborleistungen und humangenetischer Leistungen in den EBM aufzunehmen. Erst auf politischen Druck hat sich die Selbstverwaltung eine neue Verfahrensordnung zur Bewertung labordiagnostischer Innovationen gegeben. Defizite stecken aber im Detail. So ist z. B. die Beratungsdauer von zwei Jahren für eine innovative Branche zu lang. Es fehlt zudem eine Regelung, die zur sofortigen Erstattungsfähigkeit führt, wenn die Selbstverwaltung nicht fristgerecht entscheidet.
In der Zuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wurde 2011 die Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gem. § 137e SGB V eingeführt. Bis heute hat die Erprobungsregelung kaum Effekte gezeigt, da sie sehr kompliziert umzusetzen war. Das Ziel, den Zugang zu sinnvollen medizinischen Innovationen für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu beschleunigen, wurde weitgehend verfehlt. Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz wurden punktuell Verbesserungen vorgenommen, die zu verkürzten Zeitfristen und einer risikoärmeren Kalkulation der Kostenbeteiligung für die Medizinprodukteindustrie führten.
Weder die Grundidee einer Innovation auf Probe noch die Hoffnung auf eine Beschleunigung der Innovationsbewertung haben sich bislang in der Praxis bewahrheitet. Die Erprobungsregelung sollte deshalb vom G-BA weiterentwickelt werden, ggf. flankiert durch gesetzliche Klarstellungen. Haushaltsvorbehalte des G-BA dürfen nicht zu einem Nadelöhr für Erprobungen werden.
Für die Nutzenbewertung in der Verantwortung des G-BA wird eine grundsätzliche Diskussion darüber angeregt, welche Bewertungsmethoden für In-vitro-Diagnostika angemessen sind. Das Konzept des klinischen Nutzens bei IVD unterscheidet sich grundlegend von demjenigen bei Arzneimitteln oder therapeutischen Medizinprodukten.
Wissenschaft und Industrie machen aus Erfindungen marktfähige Innovationen – Patienten profitieren davon. Dass gerade diese Gruppen bei der Bewertung von Innovationen durch den Bewertungsausschuss bzw. den G-BA außen vor bleiben, ist schwer nachvollziehbar. Ihre Kompetenz sollte über die nur im Ansatz bestehenden Mitwirkungsmöglichkeiten hinaus einbezogen werden (Antrags- und Stimmrechte).
Bei der Personalisierten Medizin, z. B. in der Krebsbehandlung, nimmt die Labordiagnostik eine Schlüsselrolle ein. Denn sie gibt Aufschluss darüber, ob der Einsatz eines Arzneimittels angesichts individueller Faktoren des Patienten erfolgversprechend ist. Der Gesetzgeber hat hier gehandelt und die Vergütung des Diagnostikums mit der Erstattung des Arzneimittels gekoppelt. Damit kann die erforderliche ärztliche Begleitdiagnostik für die infrage kommenden Arzneimittel zeitnah eingesetzt werden. In der stationären Versorgung existiert diese Koppelung nicht. Es wird insofern Handlungsbedarf gesehen, die Vergütung der Begleitdiagnostik im DRG-Fallpauschalensystem zu verbessern.