Seit dem Jahr 2020 wissen wir, welche dramatischen Herausforderungen mit Virusinfektionen einhergehen, die sich zu einer Pandemie entwickeln. Aber auch bakterielle Infektionen dürfen nicht aus dem Blickfeld geraten. In der Vergangenheit haben Gesetzgeber und Selbstverwaltung punktuelle Verbesserungen für die Rahmenbedingungen der Infektionsdiagnostik geschaffen. So wurden Anpassungen im amtlichen Operationen- und Prozedurenschlüssel vorgenommen, die eine Grundlage für die Berücksichtigung diagnostischer Tests bei der Definition und Kalkulation von DRG-Fallpauschalen darstellen. Eine umfassende Berücksichtigung der Infektionsdiagnostik im Krankenhaus muss sich in den entsprechenden Vergütungskomponenten der stationären Versorgung abbilden. Zudem würden höhere Investitionen in die Ausstattung der Krankenhauslabore die Möglichkeiten zum Einsatz innovativer Infektionsdiagnostik erweitern.
Die Vermeidung behandlungsassoziierter Infektionen muss auf der politischen Agenda bleiben und mit der Evaluation eingeleiteter und der Erprobung weiterer Maßnahmen einhergehen. Wirksamer Infektionsschutz ist ein echter Qualitätsindikator der Gesundheitseinrichtungen. Deshalb sollten die Qualitätssicherungsaktivitäten der Krankenhäuser und Arztpraxen noch stärker sichtbar gemacht werden, und zwar in der einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung sowie in den strukturierten Qualitätsberichten der Krankenhäuser gemäß SGB V. Vor allem in der stationären Versorgung sind gezielte Screeningverfahren bei Aufnahme und Entlassung sowie eine umfassende Diagnostik im Behandlungsfall bedeutsam. Eine angemessene Vergütung solcher Maßnahmen muss gewährleistet sein.
Jedes Jahr sterben in Deutschland schätzungsweise 75.000 Menschen an einer Sepsis. Besonders gefährdet sind Frühgeborene und ältere Patienten. Nach Angaben der Sepsis-Stiftung könnten 20.000 Todesfälle vermieden werden. Wird die Infektion des gesamten Organismus frühzeitig erkannt und behandelt, verbessern sich die Überlebenschancen deutlich. Auch die Gefahr für Langzeitfolgen sinkt, wenn die Behandlung so früh wie möglich einsetzt. In Krankenhäusern sollten regelmäßige Bluttests überwachen, ob eine Infektion außer Kontrolle zu geraten droht. Labortests erkennen Warnzeichen wie erhöhte Entzündungswerte. Eine Blutkultur ist unerlässlich, um die Erreger zu identifizieren und zügig das richtige Antibiotikum zu verabreichen.
Die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen ist eine gesellschaftliche Aufgabe ersten Ranges. So warnte die WHO Ende 2020 sogar vor einer möglichen Welle von Antibiotikaresistenzen durch eine unsachgemäße Antibiotikagabe bei COVID-19-Patienten. In Deutschland hat der Gesetzgeber mit dem GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz von 2017 aufgegriffen, dass eine umgehende Diagnostik von Infektionserregern die Grundlage für eine schnelle, wirksame und sachgerechte Antibiotikatherapie ist. Die Selbstverwaltung hat danach zu prüfen, in welchem Umfang Diagnostika zur schnellen und qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie in der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden können. Diese Neuregelungen wurden vom VDGH begrüßt. Sie haben erfreulicherweise auch dazu geführt, dass wichtige Tests wie z. B. der Entzündungsmarker Procalcitonin nach langen Jahren den Weg in die Vergütung gefunden haben. Der Procalcitonin-Test sollte unbedingt auch für die hausärztliche Versorgung abrechenbar gemacht werden, hierfür bedarf es weiterer Anpassungen im EBM.
Weitere geeignete Tests sind seit Jahren in Deutschland erhältlich und werden zunehmend für den Einsatz im Präsenzlabor des Arztes bzw. als patientennahe Diagnostik weiterentwickelt. Die treffsichere Unterscheidung zwischen einer viralen und einer bakteriellen Infektion kann den zielgenauen Einsatz von Antibiotika in der Arztpraxis erheblich optimieren. Auch Panel-Tests, die in einem Ansatz eine ganze Reihe von Erregern detektieren und unterscheiden können sowie neue molekularbiologische und immunologische Testverfahren werden von der Diagnostika-Industrie bereitgestellt. Ihr zögerlicher Einsatz ist nicht der fehlenden Marktverfügbarkeit geschuldet, sondern den Erstattungsbedingungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Hier sollten weitere Erstattungsziffern geschaffen werden. Ferner ist sicherzustellen, dass der Vertragsarzt, der seinen Patienten vor der Entscheidung über eine antibiotische Therapie testet, sein Laborbudget damit nicht belastet. Ärztliche Leistungen der Diagnostik im Zusammenhang mit einer Antibiotikatherapie sollten daher immer extrabudgetär finanziert werden. Zumindest die Ausschlussdiagnostik muss auch vom Hausarzt bzw. den Kinder- und Jugendärzten erbringbar und abrechenbar sein.