Verband der Diagnostica-Industrie e.V.
Neustädtische Kirchstr. 8
10117 Berlin
Telefon: 030 / 200 5 99-40
Telefax: 030 / 200 5 99-49
E-Mail: vdgh@vdgh.de
Die Sicherheit der in Deutschland verwendeten Medizinprodukte ist nach Ansicht der Branchenverbände der Medizinprodukteindustrie durch eine Reihe aufeinander abgestimmter Verordnungen und Gesetzen gegeben. Lesen Sie hier die gemeinsame Stellungnahme der Branchenverbände.
Im Zusammenhang mit Brustimplantaten des französischen Herstellers PIP (Poly Implant Prothèse) ist Kritik an der Sicherheit von Medizinprodukten aufgekommen. Der Hersteller hatte Prüfbehörden getäuscht und illegal minderwertiges Industriesilikon verarbeitet, was im Verdacht steht, gesundheitsgefährdend zu sein. Gegen ihn wurde Strafanzeige erstattet.
Die Sicherheit der in Deutschland verwendeten Medizinprodukte ist nach Ansicht der Branchenverbände der Medizinprodukteindustrie durch eine Reihe aufeinander abge¬stimmter Verordnungen und Gesetzen gegeben. Dazu gehören das am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Medizinproduktegesetz (MPG) und die auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen, die die europäischen Richtlinien über aktive Implantate (90/385/EWG), über Medizinprodukte (93/42/EWG) und über In-vitro-Diagnostika (98/79/EG) in nationales Recht umsetzen.
Es besteht zudem eine grundsätzlich gut funktionierende Marktüberwachung, die aber möglicherweise in diesem Fall nicht ausreichend befolgt wurde. Gleichwohl garantiert die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen den höchst möglichen Grad an Gesundheitsschutz, Leistungsfähigkeit und Sicherheit, also Qualität für Patienten, Anwender und andere Personen.
Definition Medizinprodukte
Medizinprodukte sind Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Materialien oder chemische Substanzen und deren Zubereitungen, die ein Hersteller für die Anwendung am Menschen vorgesehen hat. Medizinprodukte werden zu Untersuchungen oder Behandlungen eingesetzt, sie sollen Krankheiten oder Behinderungen verhüten oder lindern. Medizinprodukte werden im Körper (z.B. Herzschrittmacher), am Körper (z.B. Sehhilfe) oder außerhalb des Körpers (Labortest) eingesetzt. Die Hauptwirkung der Medizinprodukte wird auf physikalischem Weg erzeugt, also mechanisch, elektrisch oder thermisch. Im Gegensatz dazu wirken die meisten Arzneimittel nach Verteilung im Körper pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch.
Zu den Medizinprodukten werden z.B. folgende Artikel gezählt: Verbandstoffe, Infusionsgeräte, Katheter, Herzschrittmacher, Hüft- und Knieprothesen, Sehhilfen, Gehhilfen, Implantate aller Art, Zahnersatz, Blutzuckermessgeräte, Röntgengeräte, EKG-Schreiber, Ultraschall-Diagnosegeräte, Kernspintomographen, Kondome, ärztliche Instrumente und Labordiagnostika. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Produkte und dem daraus resultierenden unterschiedlichen Risikopotenzial werden auch unterschiedlich hohe Anforderungen an sie gestellt.
CE-Kennzeichnung als Zeichen für Qualität und Sicherheit
Ohne CE-Kennzeichnung darf ein Medizinprodukt nicht auf den europäischen Markt und damit auch nicht auf den deutschen Markt gebracht werden.
Mit der CE-Kennzeichnung dokumentiert der Hersteller, dass seine Medizinprodukte die euro¬päischen Anforderungen erfüllen. Abhängig von der jeweiligen Risikoeinstufung des Produkts muss eine Prüfstelle ("Benannte Stelle") eingeschaltet werden, die zusätzlich als neutrale Auditier-, Zertifizier- und Prüfstelle fungiert. Dies kann beispielsweise der TÜV, Dekra usw. sein. Alle Benannten Stellen werden staatlich benannt und überwacht.
Die Ansprüche, die eine CE-Kennzeichnung an die Qualität und Sicherheit von Medizin¬pro¬dukten stellt, sind hoch. Sie werden auch nicht dadurch relativiert, dass CE-Kenn¬zeich¬nungen ebenfalls auf Aufzügen, Seilbahnen, Kinderspielzeug und Bügeleisen zu finden sind. Denn: Für Medizinprodukte gelten eigene produktspezifische Gesetzesvor¬ga¬ben, um eine CE-Kennzeichnung aufbringen zu dürfen. Das heißt: Die Anforderungen für die CE-Kennzeichnung auf Medizinprodukten entsprechen nicht denen der CE-Kennzeich¬nung auf Spielzeug, sondern gehen weit über diese hinaus. Zusätzlich zur Sicherheit muss der Nachweis der Leistungsfähigkeit im Rahmen der klinischen Bewertung erbracht werden.
Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten
Das Medizinproduktegesetz schreibt vor, dass alle Medizinprodukte nur dann betrieben oder angewendet werden dürfen, wenn sie keine Mängel aufweisen, durch die Patienten, Beschäftigte oder andere Personen gefährdet werden könnten. Dies gilt für die erste Inbetriebnahme ebenso wie für jede weitere Anwendung.
Der Umgang mit Medizinprodukten darf nur dafür ausgebildeten Personen überlassen werden. Dies ist in der Medizinprodukte-Betreiberverordnung detailliert geregelt. So müssen nicht nur Medizinproduktebücher für die Dokumentation lückenlos geführt werden, sondern auch sicherheitstechnische Kontrollen regelmäßig nachgewiesen werden. Dass solche Kontrollen für die Patientensicherheit unverzichtbar sind, ist insbesondere bei lebenserhaltenden Geräten wie etwa Säuglingsinkubatoren oder maschinellen Beatmungsgeräten naheliegend.
Dokumentations- und Instandhaltungspflichten
Zum hohen Sicherheitsstandard von Medizinprodukten gehört auch die sorgfältige Dokumentation aller Vorgänge, um bei Fehlern oder Schäden die Anwendungs- und Vertriebswege nachvollziehen zu können.
Die Betreiber von Medizinprodukten wie etwa Krankenhäuser und Arztpraxen müssen dafür sorgen, dass Wartung, Instandsetzung und hygienische Aufbereitung regelmäßig und von Fachleuten durchgeführt werden. So muss beispielsweise die hygienische Aufbereitung mit validierten Verfahren entsprechend dem Standard des Robert-Koch-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchgeführt werden.
Prüfpflichten
Sicherheits- und messtechnische Kontrollen müssen ebenfalls regelmäßig nachge¬wiesen werden. So müssen bestimmte kritische Geräte, wie z.B. Beatmungsgeräte, mindestens alle zwei Jahre nach den anerkannten Regeln der Technik geprüft und die Prüfung dokumentiert werden.
Meldepflichten
Die Hersteller, Betreiber, Anwender und Händler eines Medizinprodukts sind verpflichtet, Vorkommnisse bzw. Produktzwischenfälle unverzüglich zu melden, um vorbeugend Gefahren abzuwehren. Die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken regelt die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung.
Ein "meldepflichtiges Vorkommnis" ist definiert als eine Funktionsstörung, ein Ausfall, eine Änderung der Merkmale oder der Leistung, eine unsachgemäße Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung eines Medizinprodukts, die unmittelbar oder mittelbar zum Tod oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines Patienten, eines Anwenders oder einer anderen Person geführt hat, geführt haben könnte oder führen könnte.
Vorkommnisse sind sofort der zuständigen Bundesoberbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu melden.
Das BfArM bewertet das Risiko des Vorkommnisses. Hierzu macht der Hersteller in Zusammenarbeit mit dem BfArM Vorschläge zur Beseitigung des bestehenden Mangels.
Zur Diskussion – Bewährtes System weiter verbessern
Das europaweit geltende Medizinprodukterecht und seine Umsetzung hat sich seit über 15 Jahren bewährt.
Durch das hochkriminelle Verhalten eines Einzelnen ist das europäische System der Marktzulassung und –überwachung von Medizinprodukten in Misskredit gebracht worden.
Bei der Diskussion um eine Weiterentwicklung des aktuellen regulatorischen Systems sollte intensiv geprüft werden, wo und welche Maßnahmen geeignet sind, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über die Herstellung von Medizinprodukten hinaus noch besser überwachen zu können. Dadurch soll die Sicherheit des Patienten gestärkt und kriminelles Verhalten erschwert werden.
So hätten schärfere Anforderungen für den Zugang von Medizinprodukten zum europäischen Markt den PIP-Fall nicht verhindern können, denn dort wurden Implantate mit medizinischem Silikon vorgelegt, die anschließend in krimineller Absicht gegen minderwertiges Industriesilikon ausgetauscht wurden.
Das Bundesgesundheitsministerium hat 2011 in seiner vergleichenden Analyse der Zu¬lassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten gezeigt, dass die Schutzziele – ins¬besondere die Patientensicherheit - identisch sind und lediglich auf unterschiedlichem Wege erreicht werden. Ein „staatliches Zulassungssystem“ für Medizinprodukte bietet kein Mehr an Patientensicherheit.
Die Branchenverbände der Medizinprodukteindustrie schlagen für eine Stärkung der Patientensicherheit vor:
Herausgeber:
Branchenverbände der Medizinprodukteindustrie
März 2012
Das Medizinprodukte-Beobachtungs- und -Meldesystem ist ein wesentliches Element der Sicherheitsphilosophie für Medizinprodukte und hat zum Ziel, für einen wirksamen Schutz von Patienten, Anwendern und Dritten bei deren Anwendung zu sorgen. Zur Erreichung dieses Ziels müssen alle Beteiligten, darunter auch die Betreiber und Anwender von Medizinprodukten, gemäß den §§ 3 (2) und 5 (2) der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV), Vorkommnisse unverzüglich an das BfArM melden.
Vorkommnisse sind:
die zum Tode oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes einer Person geführt hat, geführt haben könnte oder führen könnte.
Meldepflichtig sind alle Vorkommnisse, für die das Medizinprodukt (möglicherweise) ursächlich ist, z.B. bedingt durch einen Konstruktionsfehler, mangelhafte Gebrauchstauglichkeit oder ein Materialproblem, oder die auf fehlenden oder missverständlichen Angaben in der Produktkennzeichnung oder Gebrauchsanweisung beruhen. Als Betreiber und Anwender sind Sie ebenfalls gehalten, alle für die Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Unterlagen (z.B. Durchleuchtungsbilder, Implantations- und Nachsorgeprotokolle) sowie das/die betroffene/n Produkt/e für den Hersteller und ggf. die Behörde für Nachforschungen bereitzustellen.
Wann muss gemeldet werden?
Betreiber oder Anwender müssen Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Betrieb oder der Anwendung von Medizinprodukten „unverzüglich“, also „ohne schuldhaftes Zögern“, melden.
An wen muss gemeldet werden?
Die Meldung muss an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gerichtet werden:
BfArM, Abt. 9 Medizinprodukte, Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn
Das aktuell gültige Meldeformular zur Meldung von Vorkommnissen durch Betreiber und Anwender finden Sie als Word-Dokument auf den Webseiten des BfArM unter: http://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/form/mp_formulare_anwender.html
Bei In-vitro-Diagnostika mit hohem Risiko ergeht die Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI): http://www.pei.de/cln_227/nn_748690/DE/infos/pu/08-meldepflichten/meldepflichten-node.html?__nnn=true
Empfehlung: Richten Sie Ihre Meldung zeitgleich - z. B. als Kopie der BfArM-Meldung - auch an den Hersteller des Medizinproduktes. Denn es ist die primäre Aufgabe des Herstellers, geeignete Maßnahmen zur Risikoabwehr zu ergreifen. Die Adresse des Herstellers finden Sie auf der Produkt- bzw. Verpackungskennzeichnung und/oder in der Gebrauchsanweisung.
Wer ist Ansprechpartner in Industrie und Handel?
Ansprechpartner sind die Medizinprodukteberater des Herstellers oder Fachhändlers vor Ort. Der Medizin-produkteberater ist verpflichtet, die ihm vorgetragenen Informationen schriftlich an die verantwortlichen Stellen (d.h. an den Medizinprodukte-Sicherheitsbeauftragten des Herstellers oder an den Geschäftsführer des Händlers) weiterzuleiten.
Warum muss gemeldet werden?
Durch die Auswertung gemeldeter Risiken bzw. Ereignisse und die schnelle Weitergabe der Informationen wird der Gesundheitsschutz verbessert. Damit tragen auch Sie dazu bei, dass sich eventuelle Probleme und Schäden nicht wiederholen oder verhindert werden. Meldungen sind keine Schuldzuweisungen oder Schuldeingeständnisse. Sie ziehen grundsätzlich keine Sanktionen nach sich.
Daher unser Appell an Sie:
Hrsg.: Arbeitsgruppe MPG der Industriefachverbände (AG MPG)