Führungskräfteseminar: "Thema Innovationen nicht zu Ende diskutiert"

"Das Krankenhaus zwischen Bevölkerungserwartung und Spardruck der Politik" - so lautete das Motto des 20. VKD/ VDGH-Führungskräfteseminars am 21. und 22. Februar 2013 in Berlin. Das zweitägige Tagungsprogramm war prall gefüllt, die Referenten kamen aus für Labor und Krankenhaus wichtigen Bereichen der Gesundheitswirtschaft, Politik und Selbstverwaltung.

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VDGH-Vorstandschef Matthias Borst und VKD-Präsident Dr. Josef Düllings, Foto: (VDGH)

Zwei große Themen dominierten die Veranstaltung an beiden Tagen: Kosten und Innovationen.

Gleich zu Beginn verwies VKD-Vorsitzender Dr. Josef Düllings auf einen großen Spardruck, unter dem die Krankenhäuser stünden und auf die - nach seiner Einschätzung - immer weiter abnehmende Bereitschaft der Politik, etwas für Krankenhäuser zu tun. Labore und IVD-Unternehmen sehen sich ebenfalls vom Kostendruck betroffen und suchen nach Wegen, die engen Spielräume des Marktes zu durchbrechen.

Die Labor-Industrie mischte sich in den zwei Tagen kräftig in die Diskussion ein, um aufzuzeigen, dass Einsparungen am Labor der falsche Weg sind, Krankenhäuser wirtschaftlicher zu machen. So stand schnell das Argument im Raum: „Wenn die Kunden rote Zahlen schreiben, muss die Industrie den Kunden entgegenkommen.“ Die Vertreter der Labore und Laborindustrie vertraten dagegen den Standpunkt, dass sich insbesondere durch eine gezielte Nutzung des Labors Kosten senken ließen, z.B. beim Einsatz von Medikamenten. VDGH-Vorstandschef Matthias Borst warnte davor, die Industrie als Kostentreiber zu sehen: „Der Wert eines Produktes muss im Gesamtkontext betrachtet werden.“

Auch die Frage, ob es wirtschaftlicher sei, ein eigenes Krankenhauslabor zu führen oder es auszulagern, wurde diskutiert. Dazu stellte der Geschäftsführer des Labors Berlin, Florian Kainzinger, die strategische Ausrichtung und das Konzept seines Unternehmens vor. Seine Maßnahmen zur Steigerung der Laboreffizienz stießen auf großes Interesse, es zeigte sich jedoch, dass dies nicht für jedes Krankenhaus ein gangbarer Weg ist. So räumte Prof. Dr. Thomas Ittel, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Aachen, ein: „Wir haben festgestellt, dass unsere Laborkosten im Vergleich zu anderen Maximalversorgern überproportional groß waren, so dass wir mit einer Kooperation eine zufriedenstellende Lösung gefunden haben.“ Aber nicht nur das Labor wurde als Kostentreiber im Unternehmen Krankenhaus identifiziert, auch das Personalmanagement soll dabei eine Rolle spielen. Michaela Evans, Projektbereichsleiterin Arbeit und Qualifizierung am Institut Arbeit und Technik, sprach zum Thema Fachkräftemangel in Krankenhäusern und machte neue Konzepte am Beispiel der Pflegeberufe deutlich. Sie stellte die Studie „RN4Cast“ vor. Eine These: Pflegekräften Gestaltungsspielräume geben, um effizienter zu werden. Auch Jan Schmidt, Leiter Referat Personal und Organisation an den Kliniken Essen-Mitte, stellte Lösungen seines Hauses bei der Mitarbeiterentwicklung und Mitarbeiterbindung vor. Neben Motivationsförderung hat in seinem Haus auch die Nachwuchspflege mit Blick auf die Entwicklung eigener Fachkräfte einen hohen Stellenwert. Aus Kassensicht gibt es ebenfalls Vorstellungen, wie sich Kosten senken lassen. Dr. Wulf-Dietrich Leber, Leiter der Abteilung Krankenhäuser vom GKV-Spitzenverband, meint: „Nicht jedes Krankenhaus sollte jede Leistung anbieten.“ Dr. Roland Laufer, Geschäftsführer Krankenhausfinanzierung und –planung bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG), hielt dagegen: Wir können den Vorwurf der Krankenkassen zu unnötigen Operationen nicht bestätigen.“ Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen, hält ebenfalls fest: „Die Krankenhäuser verhalten sich ökonomisch sinnvoll, ansonsten drohen Schließungen.“

Bei der Kostenfrage standen auch die Länder als Fördermittelgeber im Visier. Thomas Barta, Abteilungsleiter im Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz in Potsdam (Brandenburg), vertrat die Position der Länder und erklärte: „Die Investitionskraft der Krankenhäuser muss gestärkt werden“, aber: Krankenhäuser seien immer auch noch Ländersache: „Länder haben einen Versorgungsauftrag und müssen Versorgungsqualität in erreichbarer Nähe herstellen. Gleichzeitig müssen wir nach einer Bremsdynamik suchen, wenn eine Mengenentwicklung entsteht, die nicht unter dem Versorgungsaspekt, sondern aus wirtschaftlichen Interessen heraus entsteht.“ Aus seiner Sicht könne eine Förderpauschale eine Lösung sein.

In wie weit der stationäre Sektor beim medizinisch-technischen Fortschritt eine besondere Rolle einnimmt, wurde ebenfalls diskutiert. VDGH-Vorstandschef Matthias Borst regte dazu an, „das Thema Innovationen auf die Tagesordnung zu nehmen und gemeinsam Prozesse zu installieren, wie sich durch den Nutzen von Innovationen die Effektivität in Krankenhäusern steigern und Kosten senken lassen.“ Der Aspekt Labor-Innovationen kam auch auf den Tisch, als der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller MdB (CDU), einen Überblick über das aktuell in Kraft getretene Patientenrechtegesetz gab. Er verwies auf das neue Antragsrecht der Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Industrievertreter sprachen daraufhin die langen Beratungszeiten an Beispiel-Parametern im Bewertungssausschuss an. VDGH-Geschäftsführer Dr. Martin Walger erläuterte ergänzend: „Es ist unschön für Patienten, wenn ihre Themen mehrere Jahre ohne jede Öffentlichkeit und ohne Ergebnis diskutiert werden.“ Er machte den Wunsch der Industrie an die Politik deutlich, nicht nur den G-BA, sondern auch die vertragsärztliche Versorgung im Blick zu behalten. Zöller bat um Informationen und versprach eine genauere Prüfung

Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer Unfallkrankenhaus Berlin und Professor für Unfallchirurgie an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, berichtete über eigene Erfahrungen mit Innovationen im Krankenhaus: „Umfragen zeigen: Die Menschen wollen an Innovationen teilhaben, ein Krankenhaus bietet sich dafür an.“ Der Umgang mit Innovationen war auch Thema der weiteren Vorträge. Dr. Regina Klakow-Franck, Unparteiisches Mitglied im G-BA, Berlin, nahm die Tagungsteilnehmer mit auf einen Ausflug durch die Innovationsgeschichte und erläuterte die aufwändige Methodenbewertung im G-BA am Beispiel der Protonentherapie. Ziel sei eine patientennutzenorientierte Gesundheitsversorgung. Dies bedeute für die Selbstverwaltung eine ständige Gratwanderung, um das Gleichgewicht von Leistungsversprechen und Finanzierbarkeit zu erhalten. Sie begrüßte die neue Erprobungsregel §137e SGB V, räumte jedoch ein: „Bei insgesamt 40 Anfragen und mit acht vorläufigen Anträgen sind wir an den Grenzen der Belastbarkeit angekommen.“ Dr. Nicole Schlottmann, Geschäftsführerin Dezernat Medizin, DKG, forderte dagegen: „Studiendauer und -methoden im G-BA müssen überprüft werden.“ Auch Prof. Dr. Herbert Rebscher, Vorsitzender des Vorstandes, DAK-Gesundheit, plädierte für neue Erprobungsmethoden und forderte, Studien anders zu bewerten: „Die klinische Studie schließt aus, was in der Lebenswirklichkeit passiert.“ Vor allem ältere seien in Studien unterrepräsentiert.

VDGH-Geschäftsführer Dr. Martin Walger schloss die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass man das Thema Innovationen nicht zu Ende diskutiert habe, wobei noch zuviel über Behandlungs- und zu wenig über Untersuchungsmethoden gesprochen wurde.

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